Szenische Interpretation des Meisterwerks „Volkszählung zu Bethlehem“ von Pieter Bruegel des Älteren
Pieter Brueghel in 3D
Szenische Interpretation von Martina Singer
Die „Volkszählung zu Bethlehem“ entstand 1566 und gehört heute zu den berühmtesten Gemälden von Pieter Brueghel d. Ä. Die Münchner Künstlerin Martina Singer hat das Winterbild in einer szenischen Installation dreidimensional umgesetzt. Die Darstellung zeigt das Alltagsleben in einem verschneiten Dorf bei Sonnenuntergang. Vor dem Wirtshaus im Vordergrund herrscht großer Andrang, da hier die Dorfbewohner ihre Steuern zahlen und sich registrieren lassen. In der Umgebung sind Menschen aller Altersgruppen bei verschiedenen Beschäftigungen dargestellt. Vor dem Wirtshaus wird ein Schwein geschlachtet, Wagen werden be- und entladen, Säcke und Körbe geschleppt, Fässer und Karren über Eis und Schnee gezogen. Im Vordergrund nähern sich Joseph und die auf einem Esel reitende Maria auf der Suche nach einer Herberge. Die Menschen in ihrem geschäftigen Tun beachten das Paar nicht und ahnen nichts von dem Heil, das von diesen beiden in die Welt gebracht wird. Das Bemühen der Künstlerin um eine möglichst getreue Wiedergabe zielt nicht auf eine fotorealistische Kopie, sondern in erster Linie auf den Ausdruck der Figuren und ihre Beziehungen zueinander. Dennoch beeindruckt die Nähe zum Original in der Farbigkeit, den Proportionen und den topografischen Details. Lässt man sich auf die zauberhafte Miniaturwelt ein, beginnen die Figuren ein Eigenleben zu führen, das an Komplexität weit über das Gemälde hinausgeht. Ein wahres Meisterwerk welches nachdem es im Bayerischen Nationalmuseum in München zu sehen war nun zum ersten Mal in Belgien gezeigt wird.
Wie ist dieses Projekt entstanden?
Martina Singer erklärt kurz warum sie dieses Werk ausgewählt hat und was ihre Beweggründe waren: Verschiedene Wege haben zu diesem Projekt geführt.
Vor ca. 10 Jahren besuchte ich das kunsthistorische Museum in Wien. Wien verfügt über einige sehr bekannte Gemälde von Pieter Bruegel d. Ä. unter anderem auch den Selbstmord Sauls. Ich war ungeheuer beeindruckt von der künstlerischen Qualität dieser Bilder. Dort entstand die Liebe zu Pieter Bruegels Werk.
Jahre später begann ich mich künstlerisch mit Kleinst-Figuren aus dem Eisenbahnbedarf zu beschäftigen. Ich inszenierte Landschaften, drapierte die Figuren, unter anderem auch Szenerien mit Feuer und Figürchen und erstellte Fotografien. Eines dieser Fotos hatte atmosphärisch Ähnlichkeit mit den Werken Hieronymus Bosch.
Da kam mir der erste Gedanke ein altes Gemälde nachzubauen. Bei Bosch wurde ich nicht fündig. Aber bei Bruegel entdeckte ich das Gemälde Volkszählung zu Bethlehem. Die Tiefe des Bildes und wie die Figuren in den Raum hinein gestellt sind, gefiel mir außerordentlich gut und so begann ich das Bild 3-dimensional nachzubauen. Das Gemälde von Bruegel besitzt trotz der scheinbaren Alltäglichkeit auch etwas sehr Geheimnisvolles, nicht Interpretierbares, zu mindestens aus unserer heutigen Perspektive.
Ein anderes Element meiner Vita ist das Theaterspielen und der Tanz, bzw. in diesem Zusammenhang das Thema der Kulisse, der Auftritt. Gerade in diesem Bild von Pieter Bruegel d. Ä. erlebe ich dieses Thema das Leben als Kulisse für etwas Größeres sehr intensiv, es beinhaltet die Entstehung der Gottesgeschichte. Im Verlauf der Beschäftigung mit diesem großartigen Werk war ich zutiefst fasziniert über die Fülle an Wissen und Erfahrungen die mir dadurch möglich wurden. Eine Zeitreise in die Vergangenheit, Politik, Kultur, Religion der damaligen Zeit zu entdecken fand ich ungeheuer befruchtend, auch für das Verständnis von heute. Auf dem Bruegel Gemälde ziehen viele Menschen übers Eis, eine Art von nicht endend wollender Bewegung und Suche.
Aber wonach? Vielleicht nach Gott und letztendlich auf der Suche nach der eigenen Bestimmung. Das sind zeitgemäße Themen, Sinnsuche, Flucht, Vertreibung, Asyl und die Frage nach der eigenen Bestimmung.
So fand ich durch diese Arbeit auch den Bogen in die heutige Zeit. Martina Singer München
Das Kunstwerk ist aktuell in der ArsKRIPPANA zu bewundern.
Öffnungszeiten: Täglich von 10 bis 18 Uhr. Montags Ruhetag.